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Vorbehandlung der zu klebenden Oberflächen

Loctite Worldwide Design Handbook

Für optimale Ergebnisse beim Kleben ist eine geeignete Oberflächenvorbehandlung erforderlich. Die Festigkeit einer Klebeverbindung wird vor allem von der Adhäsion zwischen den Fügeoberflächen und dem Klebstoff bestimmt. Dabei ist besonders zu beachten, dass eine Verbindung umso fester ist, je gründlicher die Oberflächen zuvor gereinigt und vorbehandelt wurden (siehe Abbildung 19).

Die Adhäsionskräfte können durch folgende Maßnahmen verbessert werden:

  • Entfernen unerwünschter Oberflächenfilme durch Entfetten oder mechanisches Abschleifen
  • Aufbau einer neuen aktiven Oberfläche durch Primerauftrag
  • Änderung der Oberflächenaktivität durch Beizen, Coronabehandlung, Niederdruckplasmabehandlung usw.

Abb. 19: Verunreinigungen auf den Oberflächen der Werkstücke beeinträchtigen die Adhäsion

Entfetten von Klebeflächen

Um eine optimale Klebeverbindung zu erzielen, müssen Öl, Fett, Staub und sonstige Schmutzreste vollständig von der Klebefläche entfernt werden. Dazu eignen sich Lösungsmittel, die rückstandslos ablüften. Die wichtigsten Lösungsmittel und ihr Reinigungsvermögen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Wässrige Reinigungssysteme auf basischer oder saurer Grundlage enthalten fast immer Korrosionsschutzmittel. Verbleiben diese auf der gereinigten Klebefläche, können sie die Adhäsion des Klebstoffes verringern oder die Aushärtung des Klebstoffes hemmen. Bei Einsatz solcher Reinigungssysteme sollten stets Vorversuche durchgeführt werden. In jedem Fall müssen die Fügeflächen gründlich abgespült oder abgewischt werden.

Durch die Kapillarwirkung des flüssigen Klebstoffs werden sogar die kleinsten Zwischenräume im Fügebereich ausgefüllt. Der ausgehärtete Klebstoff ist danach in den Rautiefen der zu verbindenden Teile „verankert“. Der Aushärtevorgang wird durch den Kontakt des Klebstoffs mit den Metalloberflächen initiiert, die als Katalysator wirken. Passive Materialien besitzen nur eine geringe oder überhaupt keine katalytische Wirkung, sodass für eine schnelle und vollständige Aushärtung Aktivatoren eingesetzt werden müssen. In solch einem Fall wird vor der Auftragung des Klebstoffs der flüssige Aktivator auf eine oder beide Fügeflächen aufgebracht. Es brauchen dabei keine Komponenten gemischt oder Topfzeiten beachtet zu werden.

LösungsmittelReinigungskraftLeichte Entzündlichkeit bzw.
Brennbarkeit
Kohlenwasserstoffe
(z.B.Isoparaffine)
GutJa
Ketone
(z.B. Aceton)
GutJa
Alkohole
(z.B. Isopropanol)
MäßigJa
auf WasserbasisGutNein

Abb. 20: Waschlösungen: Typische Auswirkung der Konzentration auf die Endfestigkeit von Klebstoffen.

Abb. 21: Waschlösungen: Typische Auswirkung der Trocknungsposition (vertikal oder horizontal) auf die Endfestigkeit von Klebstoffen.

Werden bei großen Stückzahlen spezielle Entfettungsbäder verwendet, ist zu empfehlen, dass grob verschmutzte Oberflächen schon vorbereitend gesäubert werden, damit das Reinigungsbad nicht schon nach kürzester Zeit völlig verschmutzt ist. Häufig werden Dampfentfettungssysteme verwendet. Hierbei wird das Lösungsmittel bis zum Siedepunkt erwärmt, sodass es verdampft. Wenn die kalten Werkstücke mit dem verdampften Reinigungsmittel in Berührung gebracht werden, kondensiert das Reinigungsmittel an den Werkstücken. Die sich bildende Flüssigkeit löst die verbleibenden Schmutz- und Fettpartikel ab. Das Entfetten erfolgt häufig in geschlossenen Geräten unter Einsatz von entfettenden Lösungsmitteln.

Bei vielen Anwendungen genügt die Vorbehandlung der Oberflächen mit einem Schnellreiniger. Er entfernt Öle, Fette, lose Schmutzpartikel und sonstige Verunreinigungen und bereitet so die Flächen ausreichend für eine Klebung vor. Beim Reinigen mit Lösungsmitteln kann die chemische Entfettung zur Ablösung von Verschmutzungen von der Oberfläche durch mechanische Maßnahmen (Reinigen mit Putzlappen und Bürsten) unterstützt werden, um bessere Ergebnisse zu erhalten.

Mechanische Vorbehandlung

Verschmutzte Metalloberflächen sind häufig mit einer Oxidschicht überzogen, die nicht durch bloßes Entfetten entfernt werden kann. In solchen Fällen ist eine mechanische Vorbehandlung erforderlich wie Sandstrahlen, Schmirgeln oder Bürsten mit der Drahtbürste.

Sandstrahlen ist eine gute Methode, um größere Flächen zu reinigen. Die durch dieses Verfahren erzielte Rautiefe führt zu guten Klebeergebnissen, sofern nicht zu grobes Strahlgut verwendet wird. Durch Schmirgeln wird ebenfalls eine gute Rautiefe erreicht. Hierbei ist vor allem auf eine geeignete Körnung zu achten (z. B. 300 bis 600 für Aluminium, 100 für Stahl). Nach dem Sandstrahlen sowie nach dem Schmirgeln und Bürsten sollten die Teile entfettet werden, um zurückgebliebenen Schleifstaub restlos zu entfernen. Stark verschmutzte Teile sollten zusätzlich vor der mechanischen Behandlung entfettet werden, damit der Strahlsand bzw. das verwendete Schleifmittel nicht einfach nur die Schmutzpartikel auf der Oberfläche verschmiert. Mechanische Vorbehandlungsverfahren sind in der Praxis sehr einfach durchzuführen und liefern in der Regel auch gute Grundlagen für eine ausreichende Klebefestigkeit.

Beim Kleben von Kunststoffen oder Gummiteilen ist die Oberflächenhaut bzw. die Vulkanisationshaut zuvor mechanisch zu entfernen. Bei Kunststoffen haben sich beispielsweise Strahlmittel aus Hartgusskies oder Elektrokorund bewährt. Gummioberflächen sollten mit Lösungsmitteln oder durch Schmirgeln gereinigt werden, um Formtrennmittel zu entfernen.

Beizen

Für das Beizen von Oberflächen werden relativ aggressive Chemikalien eingesetzt. Abhängig vom Material werden sehr saure oder stark alkalische Medien verwendet. Beizen verändert die Oberfläche des Werkstückes, da reaktive Gruppen hinzugefügt werden. Wurzelähnliche Vertiefungen können sich bilden, die zusätzliche Möglichkeiten für die mechanische Verkrallung des Klebstoffes bieten. Die Wirkung dieser Behandlung ist von Werkstoff zu Werkstoff unterschiedlich. Der gewerbliche Einsatz ist beschränkt, da die Handhabung und die Beseitigung von Beizlösungen immer kostspieliger geworden ist.

Oberflächenvorbehandlung mit ionisierten Gasen

Durch die Ionisationsvorbehandlung der Oberfläche ändert sich die Polarität der Oberflächen und ihre Energie, wie es auch bei der nasschemischen Vorbehandlung der Fall ist. In Abhängigkeit des Werkstoffes, der Geometrie des Werkstückes, des Produktionsablaufs und der Anzahl der Einzelteile werden die in der folgenden Tabelle bezeichneten Verfahren eingesetzt.

Primer

Primer bestehen in der Regel aus einer chemisch aktiven Komponente, die in einem Lösungsmittel fein verteilt ist. Die Primerlösung wird auf die Oberfläche des Fügeteils aufgepinselt oder aufgesprüht. Nach der Verdunstung des Lösungsmittels bleibt die aktive Komponente auf der Oberfläche zurück. Je nach Primerart kann der Klebstoff sofort auf die zu klebende Fläche aufgetragen werden z. B. bei Polyolefinprimern für Cyanacrylate oder der Primer muss vor dem Klebstoffauftrag eine bestimmte Zeit mit der Luftfeuchtigkeit reagieren. Primer verbessern in der Regel die Klebbarkeit des Fügeteils, indem sie als chemische Brücke zwischen dem Fügeteil und dem Klebstoff fungieren. Die reaktive Komponente eines Primers ist daher gewöhnlich auch multifunktional: Ein Teil der reaktiven Gruppen reagiert vorzugsweise mit der Werkstoffoberfläche und der restliche Teil der reaktiven Gruppen bildet eine gute Bindung zu dem Klebstoff aus.

Vorbehandlungsmethoden

WerkstoffEntfernungMechanischer
Abrieb
BeizenPrimer
(in Abhängigkeit
des Klebstoffes)
CoronaNiederdruck-
plasma
MetalleXXXXXXXXX
GlasXXXXXXXX
KeramikXXXXXXX
KunststoffeXXXXXXXXXXXXXX
GummiXXXXXXXX
HolzXXXXXXX

xxx = bevorzugte Methode
x = alternative Methode oder ergänzende Methode

Prüfung der Benetzbarkeit

Die Oberflächenvorbehandlung kann mit der Wassertropfenprobe überprüft werden. Auf die gereinigte Oberfläche werden mehrere Tropfen reinen Wassers aufgebracht. Auf einer unzureichend gereinigten Oberfläche bleibt die kugelige Form des Tropfens weitgehend erhalten. Die Oberfläche muss nochmals gereinigt werden. Wenn das Wasser auf der behandelten Fläche verläuft, liegt eine gute Benetzung vor. Die Klebefläche ist ausreichend sauber.

Für anodische Beschichtungen auf Aluminium und Magnesium ist diese Methode nicht geeignet.

Der Vorteil der Wassertropfenprobe liegt in der guten Verfügbarkeit der Testflüssigkeit Wasser.

Ein Nachteil ist die unterschiedliche Wasserhärte, die sich auf die Oberflächenspannung auswirkt. In manchen Fällen liefert die Wassertropfenprobe nicht einmal mit destilliertem Wasser verlässliche Ergebnisse. Für solche Fälle sind Vergleichsflüssigkeiten mit definierter Oberflächenspannung zu empfehlen. Mit der Wassertropfenprobe kann nur die Benetzbarkeit und nicht die Klebbarkeit der Werkstoffoberfläche geprüft werden.

Abb. 22: Die Oberflächenvorbereitung kann mithilfe der Wassertropfenprobe oder mithilfe von Flüssigkeiten mit definierter Oberflächenspannung geprüft werden.

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